Die Bild-Zeitung ist die auflagenstärkste und meistzitierte Tageszeitung Deutschlands und das Flaggschiff des Axel-Springer-Verlags.

Bei der Analyse einer Boulevardzeitung fällt es schwer, zwischen richtigem Framing und Poor Journalism, also einer Verletzung journalistischer Qualitätsansprüche, zu unterscheiden. Für die Untersuchung nach Frames wurden die zweite und dritte Seite ausgewählt, da diese sich noch am meisten mit tagesaktuellen Nachrichten und politischen Themen beschäftigen. Der Aufbau der Zeitung trennt jedoch nicht klar in Politik- oder Wirtschaftsseiten und bezieht oft persönliche Schicksale und Kommentare ohne klare Kennzeichnung in die politische Berichterstattung mit ein. Dadurch sind zum Teil keine klaren Linien zwischen sachlich-objektiven Nachrichten und Stellungnahmen zu erkennen. Die Überschriften sind oft provokant formuliert und komprimieren den Inhalt des Textes auf wenige schlagkräftige Kernelemente, die die Aussagen eines Interviews oder die dargelegten Informationen nicht sachgemäß wiedergeben oder gar verdrehen. Zudem bedient sich die BILD oft Einwürfen, die zwar mit Fragezeichen versehen sind, aber wertende oder gar beleidigende Äußerungen beinhalten. So wird dem Leser eine Deutung der Situation nahegelegt, ohne sich angreifbar zu machen.

Ist dieser Politiker einfach nur selbstbewusst oder völlig realitätsfremd? Trotz Umfragendesaster (14%) träumt Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz öffentlich von der Kanzlerschaft!“ ¹

Dieses klar erkenntliche, wertende Urteil wird aus dem Kontext eines Interviews gezogen, in dem sich Scholz eher vage zu den bevorstehenden Wahlen äußerte:

„Der Scholz-Plan: Zum ersten Mal seit 1949 trete bei der nächsten Bundestagswahl kein amtierender Kanzler an: »Wenn wir es gut machen, haben wir eine Chance!« Wir? Damit meint Scholz sich selbst. Denn seit er Finanzminister ist, lässt er intern keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich unter den Sozialdemokraten für den einzigen Hält, der einer Kanzlerkandidatur gewachsen sei“. ¹

Bei der getroffenen Aussage handelt es lediglich um eine unbegründete Mutmaßung des Redakteurs, welche einen klaren Frame darstellt, da sie den SPD-Politiker als größenwahnsinnig darstellt. Derartige Verallgemeinerungen oder überzogene Schlüsse gehen oft mit Framing einher, da sie sich anbieten, um eine Beobachtung oder einen Interview-Auszug auf einen scheinbaren Fakt zuzuspitzen, bei dem es sich aber lediglich um eine persönliche Einschätzung oder Meinung des Redakteurs handelt. Häufig erkennt man Frames auch an Metaphern oder neuen Wort-Schöpfungen.

Grokodilstränen zum Abschied… Wochenlanger Zoff – am Ende tuts dann allen Leid.“ ²

In diesem Fall wurde der Rücktritt von Andrea Nahles so geframed, als würden alle SPD-Mitglieder nur geheuchelte Solidaritätsbekundigungen äußern, was lediglich eine sehr subjektive Vermutung seitens des Redakteurs ist und der komplexen Lage der Dinge nicht gerecht wird. Es treten allerdings auch subtilere Frames auf, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. Leichte Nuancen in der Ausdrucksweise können bereits eine Wertung ausdrücken.

Eine Gruppe bayrischer SPD-Mitglieder will nach BILD-Informationen Partei-Rechtsausleger Thilo Sarrazin als neuen Vorsitzenden vorschlagen. […] Der komplette Gegen-Vorschlag kommt von Spitzen-Genossen aus Schleswig-Holstein. Die bringen laut „Spiegel“ Juso-Chef und Links-Ausreißer Kevin Kühnert (29, „BMW-Kollektivierung“) ins Spiel.“ ³

Das erkennt man in diesem Beispiel, wenn man den Ursprung des Worts „Rechtsausleger“ betrachtet. Das Verb „legen“ impliziert eine überlegtere, weniger radikale Handlung als das Verb „reißen“ und hinterlässt einen dementsprechenden Eindruck beim Leser. So wird Sarrazin im Vergleich zu Kühnert deutlich vorteilhafter ins Licht gerückt. Hier erkennt man den Frame also erst durch den Vergleich der beiden Sätze. In anderen Fällen reicht ein einziges Wort, um den Frame zu identifizieren:

Endlich lässt die Bundesregierung Taten sprechen! Abgetauchte Ausreisepflichtige, fehlende Abstimmung zwischen den Behörden: Mit dem, was Bild seit Langem anprangerte, soll jetzt Schluss sein!“ ⁴

Hier werden die verschärften Gesetze der Bundesregierung durch das Wort „endlich“ als längst überfällige Handlung bewertet. Außerdem nehmen Frames oft die Form von Übertreibungen an:

„Die Grünen warnen vor dem Untergang der Welt und rechtfertigen damit maximalen Klimaschutz. Die AfD und ihre Anhänger warnen vor dem Untergang des „christlichen Abendlandes“ und rechtfertigen damit maximalen Grenzschutz vor jedweder Zuwanderung.

In diesem Artikel wurden die Grünen mit der AfD verglichen, was nicht nur an sich eine kritikwürdige Gegenüberstellung ist, sondern auch noch durch zugespitzte angebliche Schwerpunkte der Parteien untermauert wurde. Zum einen rückt der Begriff des Weltuntergangs das Begehren der Grünen in ein lächerliches Licht, wobei es sich bei dem Klimawandel um ein allgemein wissenschaftlich anerkanntes Phänomen handelt. Zum anderen wird dieses Problem mit einem Schreckgespenst gleichgesetzt, dass von der rechten Szene aufbeschworen wird, wobei „Untergang“ nicht einmal in Anführungszeichen gesetzt wurde.

Die BILD wird zwar oft vom Presserat, der Kontrollinstanz journalistischer Ethik, gerügt, aber neutrale Berichterstattung ist kein Bestandteil dieser Richtlinien. Außerdem ist die Unterscheidung zwischen bewusster Meinungsmache und einer thematischen Einordnung einer Neuigkeit oft nur ein schmaler Grad. Da es sich dabei um eine Grauzone handelt, ist es uns ein besonderes Anliegen, dem Leser das Auftreten von Frames unterschiedlicher Arten vor Augen zu führen, sodass er diese identifizieren kann. Mehr über die ethischen Grundsätze des Journalismus und ihre Institutionen finden Sie hier.


Quellen:
1 BILD Leipzig, 06.06.2019, kw, lak, fp, S. 2
2 BILD Leipzig, 03.06.2019, N. Blome; F. Piatov; S. Schutz; R. Schuler; F. Solms-Lauterbach; P. Tiede und H.-J. Vehlewald, S. 2
3 BILD Leipzig, 08.06.2019, pet, S. 2
4 BILD Leipzig, 08.06.2019, W. Haentjes; P. Poensgen; N. Stampflmeier, S. 2 5 BILD Leipzig, 28.05.2019, N. Blome; F. Kain, S. 3